Septemberhoffnungen - auf den Spuren Reuchlins zur Weißen Rose
In diesem September auf den Spuren Reuchlins durch Deutschland zu reisen, bedeutet mehr, als nur Erlebnisse touristischer oder kulturhistorischer Art zu haben.
So wird von dieser Reise der „Löblichen Singergesellschaft 1501 Pforzheim“ sicherlich mehr übrig
bleiben, als nur bloße Erinnerungen an Schönheiten, Begebenheiten oder Anekdoten.
In Eisleben gibt es die erste Begegnung mit Luther.
Bild links: Marktplatz von Eisleben mit Lutherdenkmal. Bild rechts: "Ambrosius", der Stadtführer von Eisleben
mit Singer Peter Wagner, Reisebüro Eberhardt und Frau Becker
Luther und die "Lutherin" Katharina von Bora von Lukas Cranach d.Ä.
Im Geburts- und Sterbehaus wird die damalige Zeit lebendig und schlägt einen ersten Bogen zu
Reuchlin durch die Erwähnung Melanchthons, der den Singern in Wittenberg immer wieder begegnen
wird. Es wird aber vor allem ein Nachtwächter sein, der durch seine Kenntnisse überzeugt und
Kurzweil und Nachdenklichkeit miteinander verbindet, dass es eine Lust ist, ihm zuzuhören. Die Nachdenklichkeiten der Gegenwart flechtet er in seine historischen Exkurse ein und greift vor allem
die Hoffnung auf, die er selbst im barsten Sinne des Wortes verkörpert. Er hat sein Schicksal in die
eigene Hände genommen und ist dem Jammern und Wehklagen entronnen. Das beeindruckt die
Gäste und relativiert vieles, was man von Frustrierten und Hoffnungslosen geglaubt hatte zu wissen.
Bild links: Marktplatz von Wittenberg mit Luther, Hintergrund Marktkirche (Stadtkirche)
deren Türme erst Ende des 19.Jahrhunderts vollendet wurden. Bild rechts: in den Cranachhöfen
Bild links: Schlosskirche zu Wittenberg - ausgestaltet zum Ende des 19. Jahrhunderts mit Reformatoren
Deutschlands. Bild rechts: Akademiedirektor Friedrich Schorlemmer und Obermeister Frank Hirschfeld "Dankesworte für eine Stunde der Wahrheiten!"
Bild links: Altar in der Luthergedenkstätte. Bild rechts: Marktplatz und Stadtkirche zu Wittenberg.
Diese Einsichten werden in Wittenberg in einem Gespräch mit Pfarrer Schorlemmer vertieft.
Da sitzt der gefürchtete Rebell der DDR-Bürgerbewegung zu nachmittäglicher Stunde vor den
Pforzheimer Singern und beginnt über seine Erfahrungen mit der Gegenwart zu sprechen.
Erfahrungen, die tief verwurzelt sind in einem Glauben, der ihm Kraft und Hoffung gibt. Er weiß
um die gleichen Ausgangssituationen in Deutschland des Jahres 1945 und skizziert knapp die unterschiedlichen Entwicklungswege die durch die Teilung scheinbar unwiderruflich zementiert
wurden und dann auf so friedliche Weise wieder zusammenkamen.
Er weiß um die Schwierigkeiten. Er redet leidenschaftlich und überlegt. Es gibt keinen Blick zurück
im Zorn und er versucht Gefährten zu verstehen, die jetzt keine mehr sind. Schorlemmer wirkt
überzeugend zurückgekehrt aus den Wirrungen der Politik. Er lebt das Wort Gottes. Die Diskussion
lässt Raum zum Infragestellen und stellt selbst Fragen. Wenn Schorlemmer etwas erreichen wollte,
dann hat er es in dieser Runde geschafft. Nachdenkliche Hoffnung und der Wunsch an alle, dass jeder
in seiner Freizeit etwas machen sollte, was nicht unmittelbar dem Eigennutz dient sondern vor allem
der Gemeinschaft. Bürgerschaftliches Engagement, wie es die Singer seit Jahrhunderten ausüben und
das in der Lutherstadt hohe Wertschätzung findet. Schorlemmer wird diese Wertschätzung noch
nachhaltig genießen können, denn wo wäre ein Rechlinwein besser aufgehoben, als bei ihm?
Der Pfarrer freut sich sichtlich dieser weltlichen Genüsse und dankt dem überreichenden
Obermeister Frank Hirschfeld auf das herzlichste.
Scheinbar verlieren sich die Spuren Reuchlins und Melanchthons nach Wittenberg etwas - aber
die Singer sind mit Hoffnung gestärkt aus Sachsen-Anhalt aufgebrochen, um die pulsierende
deutsche Hauptstadt Berlin kennen zu lernen. Dies geschieht zu Lande und zu Wasser und für einige
wenige, die den Fernsehturm am Abend besteigen, sogar fast aus der Luft.
Quirliges Leben, das an Geschichte vorüber eilt, ist für Pforzheimer bestaunlich und bewundernswert.
Die Fülle an Berührungspunkten mit historischen Ereignissen und Plätzen ist fast nicht zu erfassen und macht Lust auf neue Reisen.
Bild links: Sony-Center innen. Bild rechts: Sony-Center Außenbereich
Bild links: auf dem Gendarmenmarkt. Bild rechts: auf der Spree
Die B ornholmer Brücke für Fußgänger, Autos und Eisenbachn
Bild links: Spree, im Hintergrund der Berliner Dom. Bild rechts: Der Reichstag von der Spreeseite.
Höhepunkt dieser zwei Tage ist der Besuch des Reichstagsgebäudes. Die Enttäuschung über die Sitzungsperiode, die gerade am Vortag zu Ende ging, weicht den ersten Eindrücken und verliert
sich im engagierten Vortrag von Herrn Diemer, einem jungen Mann, der als Diener zweier Herren,
nämlich der Bürogemeinschaft von Gunther Krichbaum (MdB), dem Singer aus Pforzheim, und
Thomas Strobl (MdB), einen Einblick gibt in das tägliche Leben und Arbeiten, der uns manchmal
so fremden Politiker. Er hinterlässt den Eindruck, dass es gut ist, dass junge Menschen anderen
erklären können, was diese mitunter schwer verstehen.
Bild links: Das Bundeskanzleramt. Bild rechts: der Reichstag
Bild links: Der Eingang des Reichtstags für das "Volk"! Bild rechts: Der Bundesadler im Bundestag.
Berlin begeistert die Singer mit einem Feuerwerk an nächtlichen, kulturellen Angeboten, die unterschiedlicher nicht sein können aber vom Leben in dieser Hauptstadt zeugen, dass auch
nach 23:00 Uhr ein mehr als angenehmes und vor allem unterhaltsames ist.
Die Zeit eilt mit den Singern mit und es heißt Abschied nehmen von Berlin. Nächste Etappe ist
ein Stahlkoloß, der scheinbar nichts aber auch gar nichts mit den anliegen der Pforzheimer Bürger
zu tun hat. Fasziniert stehen Sie im Tagebau Klettwitz vor F 60. Das sind 11.000 Stahl, die in
eine Abraumförderbrücke verwandelt wurden, die noch vor wenigen Jahren Abraum von einem Braunkohleflöz freilegte und heute ein technisches Denkmal ist. Dort hören die Singer von anderen Hoffnungen, dort treffen Sie auf Fragen, die nicht beantwortet werden (können). Dort erfahren Sie,
welche Wunden Arbeitslosigkeit schlagen kann. Wunden die größer sind, als das, was man Natur und Landschaft antun kann. Hoffnungen? Wenig Nachdenklichkeiten?
Bild links: Besucherbergwerk bei Klettwitz. Bild rechts: Das "Monstrum" für 1 1/2 Jahre 1989-1990 aktiv!
Die Besucher vor dem "entsorgten" Förderband
Renaturisierung nach dem Tagebau!
Wir setzen unsere Fahrt in einer seltsamen Stille fort, die erst kurz vor Sachsens
Hauptstadt Dresden weicht.
Vor uns im strahlenden Sonnenschein die Silhouette des wiedererstandenen Dresdens mit der
wieder aufgebauten Frauenkirche. Man sieht die Singer staunen. Auch hier eine Annäherung vom
Wasser her. Die einst so wilde und zornige Elbe trägt die Singer fast behutsam von Pillnitz nach
Dresden hinein.
Bild links: Die Semperoper und der Opernplatz. Bild rechts: Im Zwinger
Bild links: Brühlsche Terrasse, Hofkirche, Türme des Stadtschlosses. Bild rechts: Domplatz, Dom zu Meißen
Der Fürstenzug mit Meißner Kacheln.
An diesem Nachmittag wird es die wohl wichtigste Begegnung geben, die der Obermeister Frank Hirschfeld sehr sorgfältig und mit viel Engagement vorbereitet hat. Ein Treffen mit der
Nagelkreuzgruppe, der Interessengemeinschaft des 13.Februar 1945, einem Vertreter der
Frauenkirche und einem Vertreter der Stadt Dresden.
Im Diakonissenhaus der Stadt werden wir von Schwester Edith begrüßt, die uns in einer Wärme
und Herzlichkeit empfängt, die schon angenehm berührt wissen wir doch nicht genau, wie sich unser Gespräch gestalten wird. Den Erklärungen und Erläuterungen wird aufmerksam zugehört.
Parallelen mit Pforzheims Schicksal sind allgegenwärtig. Die Hoffnung, die aus der Verzweiflung
erwuchs ist in beiden Städten gleich groß. Der schwierige Weg der Versöhnung sicherlich ähnlich
steinig und mühsam aber erfolgreich.
Die Singer übergeben der Nagelkreuzgruppe eine Kerze, gestiftet von der Nagelkreuzgruppe
Huchenfeld. Dem Vertreter der Stadt wird eine Grußbotschaft der Pforzheimer
Oberbürgermeisterin Frau Christel Augenstein an ihren Dresdner Amtskollegen übergeben.
Übergabe der Friedenskerze der Nagelkreuzgruppe Pforzheim an
Schwester Edith Hauffe von der Nagelkreuzkruppe Dresden
Niemand ahnt, dass in wenigen Minuten Frau Hanna Lauer aufstehen und sagen wird, dass Sie
Pforzheims Schicksal sehr gut kennt. In Pforzheims Partnerstadt Guernica habe Sie Pforzheimer
getroffen. anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten zu den Bombardierungen durch Deutsche im
Bürgerkrieg. Und da schließt sich für alle Mitgereisten ein Kreis, der Trauer, Mahnung, Hoffnung
und Versöhnung zum Inhalt hat.
Die Dresdnerin erzählt mit einfachen Worten, wie sie einen Teller aus dem elterlichen zerbombten
Haus geborgen habe, Eine Seite weiß und unversehrt und eine Seite schwarz von Ruß und Hitze
aus der Bombennacht. Dieser Teller stehe heute in Guernica als Zeichen und Geschenk.
Im Raum stockt der Atem, haben doch die vielen Singer selbst mitunter aus eigenem Erleben das
Grauen vor Augen und wissen um die Kostbarkeit der wenigen Erinnerungen, die geblieben sind.
Das Weiß dieses Tellers war für Frau Lauer der Ausgangspunkt der Idee, an alle Dresdner
weiße Rosen als Anstecker zu verteilen, als Symbol der Trauer am Bombentag und als sichtbares
Zeichen gegenüber jenen, die heute mit Hass und Unverstand Geschichte umschreiben wollen. Zehntausende von Rosen hat die Initiative daraufhin verteilt und diese weiße Rose ist inzwischen
auch außerhalb der sächsischen Landeshauptstadt zum Symbol der Versöhnung geworden, ohne
dass die Erinnerung und die Trauer preisgegeben wurden.
Tief bewegt verlassen wir das Gespräch und können uns aber gleichzeitig an den wieder
auferstandenen Schönheiten freuen. Es wird in den nächsten Stunden sicherlich keine Orte geben,
die man als „normaler“ Besucher in Dresden nicht auch anschauen würde aber wir sehen das
jetzt unter dem tiefen Eindruck unseres Gespräches mit den Dresdener Bürgern.
Zurückgekehrt nach Pforzheim, ist sich sicherlich jeder Singer darüber im Klaren, dass er im
sehr bewegten Monat September des Jahres 2005 eine Reise der Begegnungen hatte, die Hoffnung
und Zuversicht zum Inhalt hatten.
Text: Peter Wagner Fotos: Eckhard Becker
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Luthers Kanzeln
in der Kirche in Eisleben
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Besucher
- samt Obermeister Hirschfeld - vor dem Lutherporträt und Lutherstudierstuhl
im eigentlichen Sterbehaus (heute 4-Sterne-Hotel)
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Lutherdenkmal auf dem Marktplatz
von Eisleben
- Ambrosius stimmt sich mit Obermeister Hirschfeld ab
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Katharina von Bora im Hof der Lutherstätte in Wittenberg
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Renaissancebalkon der Lutherstätte
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Marktkirche (Stadtkirche)
in Wittenberg
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Schlosskirche zu Wittenberg
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Die 95 Thesen
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Podsdamer Platz
"Sony-Center" in Berlin
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Ein "letzter" Mauerrest!
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Das rote Rathaus in
Berlin-Mitte
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Quadriga auf dem Brandenburger Tor
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Bundestag: Blick nach oben in die Spirale für die Besucher zu Fuß
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Auf der Zuhörer/Zuschauer-Tribüne
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Besucherbergwerk bei Klettwitz - auf der Brücke
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Das "Blaue Wunder" über der Elbe in Dresden
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Das Fundament steht auf den Uferseiten
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Schiffsanlegestelle
in Dresden vor der Brühlschen Terrasse
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Der "Diener" des sächsischen Königs vor dem Sächsischen Hoftheater in der Königstraße
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Vor dem Sächsischen Hoftheater
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Die Besucher lernen einen Hofknicks oder einen Diener
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Es muss nocjh geübt werden
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"August der Starke" befiehlt seinen Untertanen
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Das 5-Sterne-Hotel Pattis
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Das Stadtschloss
in voller Schönheit
(heute wieder Museum verschiedener Epochen)
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Die Hofkirche zu Dresden
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Die wieder erstandene Frauenkirche in Dresden
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Viele Treppen
- Treppengeflüster - sagenhafte Erzählungen von der Kräuterfrau in Meißen
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Kräuter für die Damen, Kräuterschnaps für die Herren
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Der Marktplatz zu Meißen mit Pforzheimern
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Das Romantik-Restaurant "Vincent Richter" zu Meißen
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Der Empfang des Restaurantleiters zwischen Marktkirche (Frauenkirche) zu Meißen und
"Vincent Richter"
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Im Restaurant von 1523 bei der Weinverkostung
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Dr. Eberhard Bosch mit Damen
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