Grussworte der Stadt Pforzheim
Anlässlich der Jahreshauptversammlung der
LÖBLICHEN SINGERGESELLSCHAFT VON 1501 PFORZHEIM
am 8. Januar 2006
Im Namen und Auftrag von Oberbürgermeisterin Christel Augenstein
überbracht durch Ersten Bürgermeister Andreas Schütze, Stadt Pforzheim
Rede im vollen Wortlaut: Es gilt das gesprochene Wort!
Meine sehr geehrten Herren, verehrter Herr Obermeister Hirschfeld, verehrter Herr Obermeister Kuge, werte Mitglieder des Vorstandes, Hochwohllöbliche Singer,
Ich bringe Ihnen namens der Stadt Pforzheim und in Vertretung unserer Oberbürgermeisterin
Christel Augenstein die allerbesten Grüße von Gemeinderat und Verwaltung. Wir sind stolz auf die „Löbliche Singergesellschaft von 1501 zu Pforzheim“, eine der ältesten Bürgerinitiativen der Welt.
Die Löblichen Singer sind Fundament des kommunalen Gemeinsinns und historische Säule des bürgerschaftlichen Engagements unserer Stadt.
Lassen Sie mich zunächst die Gelegenheit nutzen, um für die Stadt und die Bürgerschaft einen aktuellen, herzlichen und aufrichtigen Dank zu überbringen, für das phantastische Jahresprogramm des ausgeklungenen Jahres 2005, das ja für Pforzheim als „Reuchlinjahr“ ein ganz besonderes war.
Wir haben 2005 den 550. Geburtstag des größten Sohnes der Stadt, des bedeutenden Humanisten Johannes Reuchlin, wahrhaft würdig gefeiert.
Die „Löblichen Singer“ haben mit ihren herausragenden Beiträgen das kulturelle und gesellschaftliche Leben dieser Stadt in diesem wichtigen Jahr auf famose Weise entscheidend mitgeprägt. Im Jahresprogramm der „Löblichen“ gab es ein breites Spektrum an Veranstaltungen, vom historischen Volksfest bis zum Festkonzert zum 550. Geburtstag Reuchlins. Allen, die in vielfältiger Weise mitgewirkt haben, möchte ich Kompliment und Anerkennung sagen, was hier geleistet wurde ist eindrucksvoll.
Überhaupt hat mich die Kraft und Energie dieser Stadt auch 2005 wieder begeistert. Mit der
Tour de France, der Eröffnung der Schlösslegalerie und der Eröffnung der Schmuckwelten im
prächtigen Industriehaus will ich nur drei Höhepunkte nennen, von denen man andernorts nur
träumen kann.
Auch 2006 werden wir dem boomenden Pforzheim weitere Facetten hinzufügen können. Mit der Wiedereröffnung des Schmuckmuseums steht ein weiterer Höhepunkt im März bevor. Ich hoffe auf eine gedeihliche Entwicklung auf dem Areal der Buckenbergkaserne und sehe in einer Ansiedlung des großen Möbelhauses der Fa. Lutz-Neubert auf Pforzheimer Markung mehr Chancen als Risiken für unsere Stadt. Es kommt nämlich sowieso irgendwohin in der Region, und die Menschen gehen dann eben dorthin.
Schon heute sieht man auf den großen Parkplätzen der Einkaufszentren in Karlsruhe, Sindelfingen oder Ludwigsburg mehr Autos mit Pforzheimer Kennzeichen, als uns lieb sein kann. Die Kunden stimmen
eben mit den Füßen oder den Autos ab, welches Angebot sie attraktiv finden. Unser Grundgesetz
schützt den Wettbewerb, nicht vor Wettbewerb. Steht Lutz-Neubert woanders, so haben wir nur die Nachteile. Kommt es zu uns, haben wir auch viele Vorteile.
Auch im Lichte solcher Überlegungen brauchen wir eine Optimierung der Verkehrsströme.
Im innerstädtischen Bereich stehen da die Stichworte „Westtangente“ und „Schienengestützter ÖPNV“
im mittelfristigen Focus.
Endlich scheint Bewegung in den Ausbau der Autobahn A 8 zu kommen. Mit dem Spatenstich für den Abschnitt zwischen Leonberg und Heimsheim kommt ein wichtiges Mosaiksteinchen hinzu.
Ganz wichtig sind für Pforzheim die weiteren Abschnitte zwischen Heimsheim und unserer neuen, vierten Anschlußstelle, Pforzheim-Süd, von der aus man Stuttgart in 20 Minuten erreichen wird, und auch der Abschnitt zwischen Pforzheim-Süd und Pforzheim-Nord, wobei ich froh bin zu hören, dass die Planungen dank der Intervention von Herrn Landtagsabgeordneten Mappus im Interesse unserer Mitbürger in Eutingen nochmals überdacht werden sollen.
Überhaupt bin ich der Meinung, dass Pforzheim aus seiner idealen geographischen Lage seine doppelten Chancen in Richtung Karlsruhe wie auch Richtung Stuttgart nutzen muss. Natürlich gehören wir zum Regierungspräsidiumsbezirk Karlsruhe, aber wenn das Zentrum einer der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt und das ist die Region Stuttgart 20 Minuten entfernt liegt, dann müssen wir auch und gerade dort unsere Interessen noch stärker platzieren. Wenn z.B. zur Fußballweltmeisterschaft 2006 zigtausende internationaler Gäste aus aller Welt die 6 Spiele in Stuttgart besuchen, dann sollten die alle auch den
„Black Forrest“ und seine Hauptstadt Pforzheim besuchen. Und wenn neben der Region Stuttgart auch
die High-Tech-Region Karlsruhe über eine ausgebaute Autobahn in verlässlicher Transferzeit von
einigen Minuten erreichbar ist, dann sollte es auch möglich sein, Firmen mit Geschäftsinteressen in beiden Regionen für einen Sitz in Pforzheim zu begeistern. Was wir vor allem in Pforzheim brauchen, sind neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze. Die Wirtschaft ist unser Schicksal.
Lassen Sie uns in 2006 die Chancen Pforzheims nutzen. Die Stadt kann Chancen gut brauchen, sie sind auch da. Wir brauchen aber den Mut, auch Ungewöhnliches und Neues zu wagen, das gilt auch für eine zeitgemäße Organisation der städtischen Dienstleistungen.
Nicht umsonst gilt Pforzheim als eine der fortschrittlichsten und effektivsten Verwaltungen im ganzen Land. Dabei leitet uns die Erkenntnis, dass die Summe aller Einzelinteressen nicht das Gemeinwohl ergibt, sondern Chaos. Wir werden unsere Schwierigkeiten nur meistern, wenn wir Adam Riese einen guten
Platz in der praktischen Kommunalpolitik einräumen.
In Deutschland haben wir 2005 eine neue Regierung bekommen. Zum ersten Mal regiert eine Bundeskanzlerin unser Land. Hoffen wir, dass die große Koalition nach Jahren des Stillstandes und gegenseitiger Blockaden den Reformstau in Deutschland auflöst und unseren Bundesadler, der zuletzt
doch eher einer „gegroundeten“, bleiernen Ente glich, wieder flugfähig macht. Wir wollen auch wieder europäische Triebfeder statt Ballasttank werden.
Auf die aktuelle europäische Entwicklung, die immer intensiver und konkreter unser Leben gestaltet, kann niemand besser Ausblick nehmen, als unser Bundestagsabgeordneter und Singer Gunther Krichbaum,
der nachher ja zu uns sprechen wird. Mir fällt aktuell in meiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender unserer Stadtwerke zum Thema Europa zunächst „Sicherheit der Energieversorgung“ ein.
So deutlich war es - glaube ich in den letzten Jahren selten, wie abhängig unser Land im Energiebereich von anderen Ländern zu werden droht.
Beim Strom gilt: die EnBW gehört zu einem großen Teil der Electricite de France. Ich bin froh, dass Ministerpräsident Oettinger die beabsichtigte Übernahme der Mehrheit an der EnBW durch die Franzosen zunächst verhindern konnte. Wir müssen alles tun, um eine völlige Abhängigkeit Richtung unseres westlichen Nachbarn zu verhindern.
Und beim Gas müssen wir uns daran gewöhnen: Der für uns wichtigste Gashahn sitzt nicht im Keller in Pforzheim sondern im Kreml in Russland. Moskau ist die europäische Energiehauptstadt. Gazprom ist ein geopolitischer Machtfaktor. Die Ukraine lässt grüßen. 50 % der deutschen Haushalte werden mit Gas beheizt. 35 % des Gases kommt aus Russland. Tendenz steigend. Hoffen wir, dass die Arbeit unseres früheren Bundeskanzlers als Aufsichtsratschef der neuen Ostsee-Pipelinegesellschaft dazu beiträgt, dass uns künftig das „Gerdgas“ stets pünktlich erreicht.
Bei vielen meiner Meinung nach lösbaren Problemen in der Organisation unsers Staatswesens habe ich nie ganz verstanden, warum wir den Mut nicht hatten, zu notfalls unbequemen, aber tauglichen Lösungen zu greifen. Die Lösung des Problems der Energieversorgung einer Industrienation ohne eigene Öl- und Gas-Ressourcen aber kommt mir dagegen etwa so vor, wie wenn man mit einer Schere ein Loch ins Wasser schneiden will.
Meine Herren, hochwohllöbliche Singer,
ich wünsche Ihnen allen und unserer Stadt ein gutes und erfolgreiches Neues Jahr 2006.
Auch dieses Jahr werden die Löblichen Singer wieder mit einem engagierten Jahresprogramm aus Matineen und Soireen zur Heimatgeschichte, mit Kulturreisen, Konzerten, Wanderungen und Ausflügen zu einem Pforzheimer Veranstaltungskalender beitragen, der im Schwarzwald seinesgleichen sucht.
Die Stadt des Humanismus ist eben die geistige und kulturelle Kapitale der Region, sie muss es auch bleiben, wenn die Stadt insgesamt vorne bleiben will, und sich in einer größer werdenden Welt durch dynamische Entwicklung behaupten will. Wir müssen das Geistige noch mehr stärken als bisher, damit unsere Stadt nicht herabsinkt. Der Geist ist es, der sieht, hört und spricht. Alles andere ist taub und stumm. Der Geist bewegt die Materie und nicht umgekehrt. Ich bin sicher, Pforzheim hat das Potential, eine gute Entwicklung zu nehmen. 2006 werden wir gemeinsam wieder viel leisten müssen aber auch leisten können, jeder an seinem Platz.
Gönnen wir uns allen gegenseitig Erfolg für’s Neue Jahr, dann werden wir gemeinsam Erfolg in Pforzheim haben, was im Ergebnis allen nützt! Reden wir über die Vorzüge und Erfolge Pforzheims, zumindest in gleichem Maße, wie wir zur Selbstkritik neigen. Glauben Sie mir: Es macht allen mehr Freude, hebt die Stimmung und ein gutes „Wir-Gefühl“ verleiht einer Stadt Flügel!
In diesem Sinne wünsche ich den Löblichen Singern guten Erfolg bei allen Vorhaben für’s Neue Jahr
und sage dafür gerne jederzeit meine Unterstützung zu. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche der Löblichen Singergesellschaft, dass sie weiter wachsen, blühen und gedeihen möge!
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