LÖBLICHE SINGERGESELLSCHAFT
VON 1501
PFORZHEIM



Ökumenischer Gottesdienst zum Abschluss des Melanchthonweges am 25.09.2010

Dialogpredigt:
Georg Lichtenberger, kath. Pfarrer
Theodor Leonhard, evang. Pfarrer


Georg Lichtenberger:
Schon ziemlich gewagt, wenn ein katholischer Pfarrer, der alles andere als ein
Melanchthonspezialist ist, am Ende dieses Tages etwas sagen soll. Wenn ich an Melanchthon denke,
dann denke ich natürlich an die Reformation und ich denke an die verkommene Gestalt der römischen Kirche zur damaligen Zeit: Wenn die theologische Lehre nur zum eigenen Machterhalt dient, wenn
Kirche Angst machend dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche zieht, wenn der Glaube vernebelt
wird und die befreiende und froh machende Botschaft Jesu Angst und Schrecken verbreitet – spätestens dann ist es damals wie heute an der Zeit: „Back to the roots“, zurück zu den Wurzeln. Ich glaube das
hat Melanchthon sehr gründlich gemacht: Die Sprachen lernen, damit man die Ur-Kunde des Glaubens auch wirklich verstehen kann; nach dem Suchen und Fragen, was wirklich Botschaft des Glaubens,
Wille Gottes und Weg Jesu ist. Mir fallen natürlich auch die Worte von so manchen aus unserer römischen Kirche der Jetztzeit ein, die – angesichts der furchtbaren Missbrauchsfälle – sagen: Noch nie seit der Reformation waren wir in einer solchen Krise. Ist das also nicht auch etwas das wir heute von Melanchthon zu lernen haben: Zurück zu den Wurzeln. Besinnung auf die Ur-Kunde des Glaubens?

Theodor Leonhard:
Das Wagnis, mich am Ende dieses Wegs sprechen zu lassen ist nicht geringer, auch wenn ich 13 Jahre evangelischer Pfarrer in der Melanchthon-stadt Bretten war und 67-75 cm Regalbreite Bücher von
und über Melanchthon im Bücherschrank stehen habe, also ein paar tausend Seiten.
Aber vielleicht komme es auch mehr darauf an, die kirchliche Praxis im Geist Melanchthon zu gestalten,
als ein ausgewiesener Experte zu sein.
Zwei Dinge möchte ich aufgreifen, die meines Erachtens dem Geist Melanchthons entsprechen:
Erstens: Back to the roots – Ad fontes – Zurück zu den Wurzeln. Um der Verkommenheit und dem Missbrauch von Macht zu entkommen, hieß Melnachthons Weg: Ad fontes. Nur bleiben die Kirchen
dabei oft auf halbem Weg stehen, gehen nur bis zur Hälfte des Stamms. Für die evangelische Kirche gesagt: Ad fontes darf nicht nur heißen zu Melanchthon zurückzugehen, sondern bis zur Heiligen Schrift
und zu Jesus Christus.
Um gemeinsam dorthin zu gelangen, ist Melanchthon eine großartige Formulierung gelungen.
Damit bin ich beim zweiten: Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren. Das war der Weg Melanchthons.

Georg Lichtenberger::
Ja, das glaube ich auch: „Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren.“ Unsere Suche nach dem
was trägt, was uns Hoffnung macht, was uns leben lässt, unsere Suche nach dem Glauben, nach der Botschaft Gottes für uns heute und nach dem was uns Jesus in unserem Leben zu sagen hat, das kann
nur gemeinsam gehen. Und Gespräch, das ist ja etwas ganz anderes als, dass wir uns gegenseitig Vorlesungen halten, weil wir es ja sowieso besser wissen. Gespräch ist gemeinsames Suchen und
dieses Suchen setzt das voneinander Hören voraus. Viel wurde ja gesprochen in unzähligen
ökumenischen Kommissionen, Räten und Foren. Annäherungen und Fortschritte wurden erzielt.
Aber spätestens wenn es um die konkrete Gestalt der Kirche heute geht, wenn es um Amt und in
dessen Folge um Abendmahl geht – dann laufen wir gegen Betonwände, dann gibt es keinen Fortschritt und das zermürbt und die angeblich hehren und so hochtheologischen Prinzipien, die da dahinter stehen - das versteht doch niemand mehr in unseren Kirchengemeinden. Voneinander hören miteinander im Gespräch sein – ich finde, das ist doch viel mehr als immer wieder die eigenen Positionen zu betonieren. Ich glaube es ist höchste Zeit, dass wir in der Kirche und jene, die in ihr Macht haben, ehrlich von ihren Gefühlen reden, die hinter dem Festhalten von Positionen stehen: Ängste müssen benannt werden und
all das was im tieferen daran hindert auf dem Weg der Einheit weiter zu kommen. Wir können uns selbst, unsere Befürchtungen, unsere Sorgen, aber auch unsere Prägungen, das was uns wichtig ist nicht länger verstecken. Und wir müssen uns vielleicht auch viel mehr von unseren Träumen und Hoffnung, von
unserer Freude, von dem was wir uns Wünschen und was wir Wollen erzählen…..

Theodor Leonhard:
Was soll ich dazu noch sagen. Ich kann jedes dieser Worte vorbehaltlos unterschreiben.
Zwei mögliche Kennzeichen eines wechselseitigen Gesprächs will ich besonders heraus heben:
Erstens: Das wechselseitige Gespräch hat viel mit Entdeckerfreude an den Stärken des anderen zu tun.
Wir sind oft mehr daran interessiert, den anderen bei einer Schwäche zu entlarven, statt seine Stärken wertschätzend zur Kenntnis zu nehmen. Dazu gehört die Bereitschaft, vom eigenen arroganten Sockel herunter zu kommen, als habe man nur in der eigenen Konfession die besten Ideen.
Das zweite ist in der Tat, dass wir ehrlich bedenken, was tatsächlich an Angst und Unsicherheit hinter manchen Positionskämpfen steckt, die theologisch überhöht werden.
Es ist ja wirklich so, dass es derzeit kaum Fortschritte gibt, wenn es um die konkrete Gestalt der Ökumene vor allem in Bezug auf Amt und Abendmahl geht. Beim ökumenischen Kirchentag habe ich
auf einer Veranstaltung etwas vorlaut die Frage gestellt: Angenommen der Herr Jesus kommt wieder und lädt am Jüngsten Tag zum Festmahl ein. Werden die Theologen zuerst auf einer theologischen Einigung bestehen, bevor sie an den Tisch des Herrn kommen?
Das ist schon die Frage: Wie wollen wir heute die Kirche gestalten?
Was wollen wir heute für die Kirche?

Georg Lichtenberger:
Mein Traum von Kirche kann ich nicht so einfach in ein paar Worte fassen. Für mich hat er untrennbar etwas mit der Person, der Botschaft und der Gestalt Jesu zu tun. Ich entdecke ihn als jemand, der auf
dem Weg ist. Der sitzt nicht in der Gelehrtenstube und nicht im Pfarrhaus und wartet nicht, dass jemand
zu ihm kommt. Er geht – zu den einfachen Leuten, den Armen, den Außenseitern. Er geht nicht zu potentiellen Sponsoren und auch nicht zu Sitzungen ins Rathaus. Die Wege Jesu neu lernen und versuchen mit ihm Schritt zu halten und ihn dort suchen, wo er heute zu suchen ist, nämlich wie damals bei den Außenseitern, den Armen, den Leidenden – das heißt für mich auch zurück zu den Wurzeln, zurück zu Jesus und so können wir neue Gestalt gewinnen und erkennbar werden als seine Kirche. Ich glaube zum Beispiel, dass wir bei der Vesperkirche Jesus viel näher sind als bei so mancher schlauen Sitzung und Besprechung.
Ein evangelischer Theologe, von dem ich ein bisschen mehr weiß, als von Philipp Melanchthon ist
Dietrich Bonhoeffer. Er hat Worte geschrieben, die mich nun schon seit 30 Jahren verfolgen und immer wieder einholen. Z.B. die Sätze an sein Taufkind aus dem Tegler Gefängnis: „Unsere Kirche, die in
diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein. Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei
bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neu geboren werden aus diesem Beten und diesem Tun…“ Vor fast 70 Jahren geschrieben: Die Kirche, die nur um ihren Selbsterhalt kämpft, unfähig befreiende, froh machende, versöhnende Worte zu sprechen, deswegen: Back to the roots: Beten und
Tun des Gerechten unter den Menschen, sonst nichts.
Oder wenn wir es noch ein bisschen konkreter wollen: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere
da ist. Um einen Anfang zu machen, muss sie alles Eigentum den Notleidenden schenken. Die Pfarrer müssen ausschließlich von den freiwilligen Gaben der Gemeinde leben, evtl. einen weltlichen Beruf ausüben…“ – Da sind wir in unseres Institutionen ziemlich weit weg davon. Für mich bleibt es Herausforderung und wenn ich von Kirche träume, wenn es um die Kirche der Zukunft und der
Gegenwart geht, dann habe ich auch diese Worte im Ohr und ich glaube, dass es ganz entscheidend in diese Richtung gehen muss, wenn wir bei Jesus bleiben wollen….

Theodor Leonhard:
Es wäre ja nicht wirklich einwechselseitiges Gespräch, wenn ich schon wieder jedem Wort vorbehaltlos zustimmen würde.
Ich hoffe schon, dass der Herr Jesus mit mir in der Gelehrtenstube sitzt und im Pfarrhaus, sogar wenn
ich im Liegestuhl im Garten liege. Als „Praeceptor Germaniae“ hat Melanchthon den Kirchen gerade in Bezug auf die Bildung eine wichtige Herausforderung mit auf den Weg gegeben. Und Sitzungen im
Rathaus haben durchaus eine hohe Relevanz für Aussenseiter. Was die potentiellen Sponsoren betrifft:
Die Vesperkirche wäre gar nicht möglich ohne etliche Sponsoren.
Ich stimme zu. Das Wort Jesu gilt: Was ihr getan einem von meinen geringsten Geschwistern, das habt
ihr mir getan.
Ich stimme zu, dass eine Kirche, „die nur um Selbsterhaltung kämpft unfähig ist, Träger des versöhnenden und erlösenden Worts für die Menschen zu sein“. Typisch für eine solche Mentalität ist beispielsweise, wenn ein Kirchenaustritt deutlich dramatischer gesehen wird als der Verlust des Glaubens.
Ja, es kommt auf das Beten und das Tun des Gerechten an und die Kirche ist nur Kirche, wenn sie
für andere da ist.
Und – ich möchte diesen Gedanken erweitern – sie ist nur Kirche, wenn sie davon lebt, dass ein anderer für sie da ist, wie es im Motto Melanchthons aus Römer 8 ausgedrückt wird: Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Denn nichts scheidet uns von der Liebe Gottes. Amen.





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