LÖBLICHE SINGERGESELLSCHAFT
VON 1501
PFORZHEIM


Ketzer, Reformer, Humanisten und Reformatoren
Der Oberrhein im 15. Jahrhundert


Vortrag


Dr. Martin Schneider

anlässlich der Matinee zur Stadtgeschichte im Reuchlinjahr 2005 am 23.06.2005

 
Vortrag

Meinen Vortrag könnte man auch eine historisch – geographische Talfahrt nennen.
Wir folgen dem Lauf des Rheines und damit auch dem Lauf der Geschichte. Wir beginnen in Konstanz, legen in Basel und Straßburg an und machen zum Schluss einen Abstecher nach Pforzheim, an den Geburtstort unseres Jubilars Johannes Reuchlin.

Eine Station, Heidelberg muss ich leider einsparen. Zum einen liegt Heidelberg nicht am Rhein, wie jeder weiß, zum anderen wollte ich meinen Vortrag nicht zu sehr ausweiten. Diese Zeitreise soll dazu dienen, das Umfeld und die Umgebung zu erkunden, die für den großen Sohn Pforzheim prägend waren. Bei solch einer Zeitreise bleibt kaum Zeit zu längerem Aufenthalt, aber ich verspreche ihnen, dass wir bei jeder Station interessante Persönlichkeiten kennen lernen werden, die jene Kräfte und Bestrebungen repräsentieren, die im Titel genannt sind.

Das 15. Jahrhundert ist geprägt von jenem Ruf nach Reformen in Kirche und Gesellschaft, damals untrennbar miteinander verbunden. Wir legen dabei den Schwerpunkt auf Reformen in der Kirche; alle genannten als da sind Ketzer, Kirchenreformer und Humanisten versuchen auf ihre Weise einen Beitrag zur Reform zu leisten. Bekannt ist aber auch, dass jener Reformstau sich erst am Beginn des folgenden Jahrhunderts auflösen sollte im Zusammenhang mit den gewaltigen Veränderungen, Reformation genannt, mit denen ein neues Zeitalter beginnt.

Konstanz

An der Stelle, wo der Rhein aus dem Bodensee kommend sich weiter nach Westen wendet, liegt die alte Bischofstadt. Hier ereignete sich in den Jahres 1414 – 1418 eines jener großen Ereignisse, hier konzentrierte sich gleichsam das Weltgeschehen auf jener Versammlung in der es um das Schicksal der Kirche ging und damals auch um das Europas. Um den furchtbaren Wirren innerhalb der Kirche ein Ende zu machen hatte Kaiser Sigismund in die Reichstadt zu einem allgemeinen Konzil eingeladen und so versammelten sich hier nicht nur die Führer und Repräsentanten der Kirche sondern Vertreter aller Nationen. Man spricht von 15.000 bis 20.000 Gästen und dies in einer Stadt mit vielleicht 10.000 Einwohnern. Die Folgen für das Leben müssen gewaltig gewesen sein. Eine Folge war unter anderem auch eine allgemeine Teuerung; in Erinnerung an das Konstanzer Konzil dichtet der Minnesänger
Oswald von Wolkenstein, denk ich an den Bodensee, tut mir gleich der Beutel weh. Hier traf sich die Welt, hier begegneten sich Reformer, Ketzer und Humanisten. Das Konstanzer Konzil hat drei Päpste zum Rückzug gezwungen und einen neuen Papst gewählt. Es hat darin die Idee des Konziliarismus, wenn man so will eine Idee der Kirchenreformer, verwirklicht. Aber es hat zugleich den englischen Reformer
John Wiclif zum Ketzer erklärt, seinen Schüler den tschechischen Theologen Johann Hus verurteilt und am 6. Juli 1415 verbrennen lassen; ein Jahr später auch den Begleiter von Hus, Hieronymus. Der Bruch des Versprechens auf freies Geleit löste einen Krieg aus, in dem sich die Kirche gegen das Heer der Ketzer verteidigen musste. Bislang waren Ketzer wehrlose und zumeist sprachlose Glieder der Gesellschaft, Handwerker und Bauern, die in der Stille ihren Weg gehen wollte und die dennoch zu Tausenden am Ende des 14. Jh. verurteilt und verbrannt wurden, die meisten von ihnen waren Waldenser.

Reformer und Ketzer beide leidend unter der Gestalt einer verweltlichten Kirche, beide auf der Suche nach Alternativen aber ohne die Chance oder den Willen zu einer Verständigung. Und was suchen die Humanisten auf dem Konzil? Nun sie erscheinen hier zum ersten Mal in Deutschland und beteiligen sich weniger an der Suche nach einer neuen Gestalt von Kirche sondern suchen nach Handschriften antiker Autoren. So suchte und fand der italienische Humanist Poggio Plautus im Nonnenkloster. Poggio kommentierte die Hinrichtung des Hieronymus von Prag mit den Worten, vir praeter fidem egregius, ein hervorragender Mann sieht man von seinem Glauben ab. Das klingt zwar nach menschlichem Verständnis lässt aber nicht erkennen, dass Poggio in irgendeiner Form mit den Inhalten der wiklifitischen oder
hussitischen Lehren etwas anfangen konnte; wie sollte er auch. Poggio war Sekretär des vom Konzil abgesetzten Papstes Johannes XXXIII.

Noch ein Wort zum weiteren Schicksal von Konstanz. Die Stadt wird sich relativ früh um die Mitte der zwanziger Jahre eindeutig der Reformation zuwenden, wurde aber nach der Niederlage der evangelischen im schmalkaldischen Krieg 1548 zwangsweise rekatholisiert und mit dem Verlust ihrer Eigenständigkeit bestraft.

Basel

Wenige Jahre nach dem Abschluss des Konstanzer Konzils wird 1431 wiederum ein Konzil einberufen, das der Reform der Kirche dienen soll. Auch hier wird eine Stadt am Oberrhein zum Schauplatz. Basel ist die zweite Station unserer Reise. Die Konzilsväter vor allem die Reformer versuchten sich gegenüber dem Papst zu behaupten, was zu großen Konflikten führte. Versucht wurde auch die Lösung des Konflikts mit der Ostkirche. Der große Theologe und Kardinal Nikolaus von Kues war bemüht die Gegensätze zu überwinden. Außerdem versuchte sich das Konzil an der Lösung des Konflikts mit den Hussiten. Der Hussitischen Bewegung war auf militärischem Weg auch mit einem Kreuzzug nicht beizukommen. So ließ man sich auf Verhandlungen ein mit dem Ziel, die radikalen Hussiten, Taboriten genannt zu isolieren und mit den gemäßigten zu einem Kompromiss zu gelangen. Von 1431 bis 1437 tagte das Konzil in Basel, dann trennte man sich; ein Teil der Konzilsväter blieb in Basel ein anderer zog mit dem Papst nach Florenz.

Was uns in besonderer Weise interessiert, war die Frage, ob denn die Reformer jene Kräfte wahr – oder ernst genommen haben, die an einer radikalen Erneuerung de Kirche interessiert waren, ich meine die Hussiten. Allem Anschein nach war dies nicht möglich. Man verhandelte mit den Hussiten nur so lange wie man verhandeln musste wegen der fatalen Niederlagen.

Ausgangspunkte waren für die Hussiten die 4 Prager Artikel:

1. Freie Predigt des göttlichen Worts .

2. Laienkelch

3. Säkularisation des Kirchenguts und Rückkehr des Klerus ur apostolischen Armut

4. Strenge Kirchenzucht im Klerus

Was schließlich übrig blieb oder zugestanden wurde, war der so genannte Laienkelch, eines der Wahrzeichen der Hussiten; gewiss ein symbolträchtiges Zeichen, weil es doch den Graben überbrückte der das Volk Gottes teilte, in Klerus und Laien. Mehr aber bewegte sich nicht und nachdem die radikalen Hussiten 1434 den gemäßigten in einer blutigen Schlacht unterlegen waren, sah man dazu auch keine Veranlassung.

Zu jener Zeit machte eine anonyme Reformschrift von sich reden, genannt Reformatio Sigismundi, die radikale Reformen in Gesellschaft und Kirche forderte. Jahrhunderte später wurde sie einem Manne zugeschrieben, mit dem wir uns noch stärker befassen werden, Friedrich Reiser. Er gehörte der hussitischen Delegation, die nach Basel zu den Verhandlungen gekommen war und dies obwohl er kein Tscheche war und eigentlich auch kein Hussit.

Geboren um 1400 in Daiting bei Donauwörth gehörte er den Waldensern an, die zu jener Zeit durch die Inquisition blutig verfolgt wurden. In Freiburg in der Schweiz, in Straßburg, in Augsburg, in Mainz und vielen anderen Städten wurden Tausende verhaftet und gezwungen der Ketzerei abzuschwören; wer dies verweigerte wurde dem Scheiterhaufen übergeben. Allein in der kleinen Stadt Donauwörth waren dies am 6.Dezember 1393 5 Männer und 11 Frauen.

Schon lange vor den Hussiten waren die Waldenser bestrebt gewesen, auf der Grundlage des Evangeliums die wahre Kirche wiederherzustellen. Auch sie übten Kritik an Reichtum und Macht der Kirche ihrer Zeit. Sie waren allerdings keine gehrten Leute, sondern stammten aus dem Volk, zumeist Handwerker und Kaufleute. Schon früh durchschauten sie das Geschäft mit der Buße und dem Ablass. Ihrer Meinung nach gab es kein Fegfeuer und machte es auch keinen Sinn für die Verstorbenen zu beten. Was zählte war der Glaubensgehorsam, orientiert an den Geboten der Bergpredigt z.B. dem Verbot des Schwörens und dem Verzicht auf Gewalt. Die Augsburger Waldenser von 1399 vertraten z.B. die Meinung man können keinen zu Tod verurteilen ohne Sünde. Reisers Eltern hatten die Verfolgung überlebt und bestimmten ihren Sohn dazu ein Prediger zu werden, einer jener grauen Männer, die sich als Nachfolger der Apostel verstanden und damit als Vertreter der wahren Kirche. Auf seinen Reisen, die er getarnt als Kaufmann unternahm, geriet er vor Wien in hussitische Gefangenschaft, kam mit den Hussiten nach Tabor, später nach Prag und ließ sich von einem hussitischen Bischof zum Priester weihen. Propok der Führer der Taboriten nahm den jungen Reiser mit nach Basel. Für die Hussiten und die Waldensern verband sich die Hoffnung, nun gemeinsam das Werk der Erneuerung de Kirche voranzutreiben. Der Plan nahm konkrete Formen an in Gestalt eines Vereins der treuen Brüder, bei dem Reiser als Bischof fungierte. Er nannte sich Friedrich von Gottes Gnaden Bischof der treuen oder Gläubigen die die Schenkung Konstantins verwerfen.

Friedrich nun nahm an öffentlichen Verhandlungen des Konzils teil, geschützt durch die diplomatische Immunität die Prokops hussitische Delegation in Basel genoss. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass er der Verfasser jener Reformschrift gewesen sein soll. Er selbst hatte offenbar nur eine bescheidene Bildung genossen, die sich wie bei fast allen Waldensern auf das intensive Studium der Bibel in der deutschen Sprache beschränkte.

Es blieb in Basel dabei, Reformer und Ketzer waren und blieben total geschieden, unfähig zu einer Begegnung. Zu groß war die Angst der Reformer in die häretische Ecke gestellt zu werden. Zu radikal war die Kritik der Hussiten und der Waldenser. Wer die konstantinische Schenkung ablehnte, der entzog der römischen Kirche gleichsam das Fundament, denn die so genannte Schenkung Konstantins diente dazu den Macht - und Herrschaftsanspruch des Bischofs von Rom über den gesamten Erdkreis abzusichern. Die Waldenser sahen darin den Fall der Kirche.

Was war mit den Humanisten? Bei den Theologen traten sie in Basel nicht in Erscheinung. Wohl aber war es ein Humanist nämlich Laurentius Valla, der die Konstantinische Schenkung als Fälschung entlarvte. Und wiederum war es ein deutscher Humanist, Ulrich von Hutten, der 1519 die Schrift Vallas zur konstantinischen Schenkung in deutscher Sprache herausgab, sicher kein unwesentlicher Beitrag zur Papstkritik in der Frühzeit der Reformation. Was um so verwundert als Valla ähnlich wie Poggio in päpstlichen Diensten stand.

Umso bedeutsamer sollte ein anderer Humanist in Basel werden, Erasmus von Rotterdam. Wir machen jetzt also einen Sprung. Erasmus lebte immerhin 8 Jahre in dieser Stadt und galt zu jener Zeit als Oberhaupt der Humanisten in ganz Europa. Seine Bemühung um den griechischen Urtext des NT war eine wesentliche Vorarbeit für Luther Übersetzung des NT auf der Wartburg. Auch er ein Mann der Reform, auch er bemüht auf der Grundlage der Bergpredigt die Kirche zu erneuern, im Sinne einer Morallehre. Luthers Anliegen verstand und teilte er dennoch nicht; vor allem aber wollte keine Revolution, also keine Reform der Kirche von außen aufgezwungen. Als Basel sich schließlich ganz der Reformation zuwandte, wobei
seine Schüler maßgeblichen Anteil hatten, zog er 1529 ins katholische Freiburg um. Ganz ähnlich wie Erasmus sollten auch die anderen führenden Köpfe des Humanismus in Deutschland sich verhalten, Wimpheling und Reuchlin.

Wir besteigen unser Schiff und fahren rheinabwärts nach Straßburg.

Straßburg

Straßburg war die größte Stadt am Rhein im Südwesten. Sitz eines Bischofs und Handelsmetropole. Zugleich aber waren hier seit dem 13. Jahrhundert Ketzer anzutreffen; Waldenser, Ortlieber und Winkler, so wurden die Straßburger Waldenser bei der großen Verfolgung 1400 genannt. Wie stark sich diese Waldenser fühlten und zugleich wie bedroht geht daraus hervor, dass man einen Mord in Auftrag gab, um einen ehemaligen Waldenser zu hindern vor der Inquisition zu viele Anhänger zu verraten.

In diese Stadt zog sich unser waldensisch – hussitischer Prediger und Bischof Friedrich Reiser 1456 zurück als sich abzeichnete, dass aus dem Verein der treuen Brüder nichts werden konnte, nachdem die Unterstützung de Taboriten fehlt. Als Seelsorger einer kleinen Hausgemeinde lebte er zusammen mit einer Begleiterin oder Haushälterin Anna Weiler zurückgezogen und wie bisher auch sorgfältig getarnt als Kaufmann. Er nahm sogar an den Gottesdiensten in St. Peter teil und gedachte hier sein Leben zu beschließen.

Aber da kam die Inquisition 1458 auf seine Spur und macht ihm den Prozess. Schon bald ist sich die Inquisition. der Bedeutung Reisers bewusst und versucht mit dem Prozess gegen ihn der ganzen Bewegung den tödlichen Schlag zu versetzen. Reiser und einige seiner Getreuen werden solange gefoltert bis sie wichtige Informationen preisgeben und bereit sind zum Widerruf. Auf dem Rossmarkt in Straßburg, heute Place Broglie, wo um jene Zeit auch Turniere stattfanden, wurde ein Schauprozess inszeniert. Trotz seines Widerrufs verurteilt man ihn zusammen mit seiner Begleiterin Anna Weiler als rückfälligen Ketzer zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Reiser war schon einmal, nämlich 1446 in Würzburg, vor dem Inquisitor gestanden und hatte dort seinen Glauben abgeschworen. Am 6. März 1458 werden Friedrich Reiser und Anna Weiler in Straßburg verbrannt. Seine Schülern Matthias Hagen und Stephan von Basel erging es nicht besser; Matthias Hagen wurde am 27. April 1458 in Berlin, und Stephan im August 1467 in Wien verbrannt.

Dieser Prozess blieb in Straßburg. In einem Brief schildert der Straßburger Reformprediger Geiler von Kaysersberg seinem Schüler Jakob Wimpheling Einzelheiten des Prozesses, dessen Akten Geiler einsehen konnte. Geiler war der bekannteste und beliebteste Prediger der Stadt und seine Beliebtheit rührte wohl auch daher, dass er die Kirche seiner Zeit von der Kanzel herunter schonungslos kritisierte. Gleichwohl sehen wir weder bei ihm noch bei seinem Schüler Anzeichen von Verständnis oder Sympathie für den unglücklichen Reiser. Im Gegenteil Wimpheling rühmt in seiner Germania die Stadt Straßburg für ihre Rechtgläubigkeit, dass sie einem selbst ernannten Bischof den Prozess gemacht hatte. So versteht man auch, dass er sich keineswegs mit der Reformation identifizieren konnte. Gleichwohl musste Wimpheling erleben, dass sein Lieblingsschüler Jakob Sturm der Reformation in Straßburg zum Sieg verhalf. In einem Verteidigungsbrief schreibt Sturm an seinen Lehrer und ehemaligen Freund, wenn ich ein Ketzer bin, so habt ihr mich dazu gemacht. Zweierlei geht aus diesem Zitat hervor: zum ersten der Vorwurf der Häresie gegenüber Luther und seinen Anhängern, den W. erhob, ganz im Sinne des päpstlichen Urteils über Luther. Zum anderen aber die Behauptung, sein humanistischer Lehrer habe ihn diesen Weg geführt. Wie in Konstanz und Basel und den meisten andren freien Städten hat der Rat die Reformation eingeführt gegen den Widerstand des Bischofs und der anderen Prälaten. In Gestalt des Gymnasiums hat dieses Stadtregiment auch dafür gesorgt, dass das Anliegen der Humanisten im Bereich der Bildung Gestalt gewinnen konnte.

Pforzheim

Von Straßburg aus führt uns die alte Römerstraße Richtung Augsburg nach Pforzheim. Ich muss gestehen, dass unser Pforzheim nicht in diese Reihe der berühmten Ort und Schauplätze passt. Zu unbedeutend scheint die kleine Residenzstadt der Markgrafen mit ihren 3000 oder 4000 Einwohner auf den ersten Blick. Wenn da nicht jene Lateinschule gewesen wäre und unser Johannes Reuchlin. Es war nicht nur Reuchlin selbst, der den Namen dieser Stadt bekannt machte, sondern es war auch die Tatsache, dass aus seiner Schule eine Reihe berühmter Gelehrter vor allem Theologen hervorgegangen sind, allen voran sein Schüler und Verwandter Philipp Melanchthon. Viele von ihnen waren bedeutsam für die Reformation im Südwesten, Melanchthon sogar für die Reformation insgesamt. Pforzheim gehört in eine Reihe mit jenen humanistischen Zentren in der zweiten Reihe, die nicht mit einer Universität glänzen können, aber immerhin als Standort einer berühmten Lateinschule und Standort einer Druckerei Zentren humanistischer Bildung waren.

Nun wiederholt sich hier dasselbe Spiel wie in Basel und Straßburg. Die Väter verstoßen die Söhne, die Lehrer distanzieren sich von den Schülern. Reuchlin bricht alle Verbindung zu Melanchthon ab, wohl aus Angst in das Lager der Ketzer zu geraten, in das andere ihn ja wegen seiner mutigen Schrift für die Erhaltung jüdischer Schriften schon längst gestellt hatten.

Was kaum einer weiß, auch unsere Waldenser waren in Pforzheim vertreten. Im Straßburger Inquisitionsprozess begegnet uns eine Frau namens Katharina aus Pforzheim. Sie tritt als Zeugin auf, wurde also entweder in Straßburg selbst oder in Pforzheim verhaftet. Außerdem erfahren wir, dass unser Friedrich Reiser ein junges Mädchen, die Tochter eines Hutmachers aus Pforzheim, nach Böhmen geführt habe. Offenbar war dies der Versuch eine Anhängerin vor der Inquisition in Sicherheit zu bringen, d.h. also nach Böhmen zu den Hussiten.

Zusammenfassung und Abschluss

In den Städten des Oberrheins erleben wir im 15. Jahrhundert, wie die verschienen Kräfte und Mächte aufeinander stoßen und miteinander ringen, Kirchenreformer, Humanisten und Ketzer. Noch einmal gelingt es der Kirche den Angriff der radikalen Reformer abzuwehren, sie als Häretiker an den Rand zu stellen und dann zu eliminieren. Auch die Reformkräfte innerhalb der Kirche, auch die Humanisten sehen darin kein Problem. Obwohl selbst vielfach angefeindet von den konservativen Kreisen und Kräften wie den Dominikanern, versuchen die Humanisten alles, um nicht in die häretische Ecke gedrängt zu werden. So sehen wir es bei Erasmus und Wimpheling und nicht zuletzt bei unserem Reuchlin; sein Verhalten
Melanchthon und der Reformation gegenüber entspricht ganz dem Verhalten jener älteren
Humanistengeneration.

Aber es sollte sich zeigen, dass damit der Kampf um die Reform nicht zu Ende war. Die Reformation am Beginn des 16. Jahrhunderts wurde von ganz anderen Kräften getragen. Ihre Führer waren gebildete Theologen, zumeist humanistisch geschult. Sie ließen sich durch päpstliche Drohungen oder Urteile nicht mehr schrecken und erhielten Unterstützung von vielen Seiten; Bauern, Bürger, Adel und Fürsten schlossen sich ihnen an. Die Städte gingen voran mit der Umsetzung, die Fürsten kamen erst später; die Markgrafen von Baden z.B. waren zwar reformfreudig aber konnten es erst 1556 nach dem Augsburger Religionsfrieden wagen die Reformation in ihrem Herrschaftsgebiet und damit in Pforzheim einzuführen.

Was ist aus den Waldensern geworden? Die überlebenden deutschen Waldensern in der Mark Brandenburg schlossen sich den böhmischen Brüdern an, die Nachfolger der Taboriten waren; die Waldenser in den Alpen aber beschlossen 1556 auf ihrer Synode in Chanforan die Reformation nach dem Vorbild der Schweizer einzuführen. Die radikalen Anliegen der mittelalterlichen Waldenser aber finden sich teilweise dort wieder, wo auch im 16. Jahrhundert im Kreis der so genannten Täufer versucht wurde, die fundamentale Kritik der Bergpredigt an einer verweltlichten Kirche aufrecht zu erhalten.

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Copyright bei CKK Pforzheim, Stand 06.01.2015